Ein Wolf namens Fuchs

Einst vermeinte ein Wolf sich besonders schlau und nannte sich „Fuchs“. Natürlich sah jedermann, trotz seines rotweiß gefärbten Felles und seines vornehmen Namens, dass er trotzdem nur ein Wolf war. Doch lest selbst die Geschichte des Wolfes „Fuchs“, wie sie sich einst wirklich zugetragen hat:

Der junge Wolf fasste, da klüger als andere Wölfe einen gewieften Plan. Er wollte Fuchs sein, anstelle eines Wolfes. Also nahm er zwei Farbtöpfe und färbte sich in rot und weiß. Nun musste „Fuchs“ natürlich auch zur Schule, wie alle anderen jungen Füchse auch. So ging er also täglich zu jener Schule, in der er mit vielen anderen Gattungen zusammen saß.

Da gab es Enten, Schwäne, Füchse, Drachen und auch Wölfe. Hier lernte jedes Tier sich seiner Art entsprechend zu verhalten, so lernten Ameisen das ausbalancieren schwerer Lasten,  Drachen das Feuer speien und die Enten das Schwimmen. Und Wölfe lernten, dass sie in Rudeln lebten und dümmer sind als Füchse. Füchse hingegen lernten all die Märchen die über ihre Gattung erzählt wurden und zogen ihre Lehren daraus. „Fuchs“ hingegen hörte diese Geschichten, konnte sie sogar wiedergeben, aber verstanden hatte er sie leider nicht.

Die Jahre vergingen und alle lernten fleißig. Während Wölfe mehr Sportunterricht hatten als Füchse, mussten diese bereits lernen, was Verantwortung und Entscheidung hieß. Alle Füchse saugten den Stoff nahezu in sich auf, nur unser Wolf hinkte Jahr um Jahr hinterher.

Als die Jungen endlich groß waren, erhielten alle Tiere ihren Abschluss. Um auch „Fuchs“ loszuwerden, entschlossen sich die Lehrfüchse, auch ihn bestehen zu lassen, schließlich sei seine Verkleidung in gewisser Weise ja schon „schlau“ wie ein Fuchs. Die Füchse wollten einfach verhindern ihn noch ein weiteres Jahr mit durchzuschleppen und so hielt „Fuchs“ stolz sein Diplom in den Pfoten.

Mit frischem Mut suchte „Fuchs“ nach einer Arbeit, schließlich und endlich hatte er seinen Abschluss im Klugsein, so schien es ihm abwegig, wie ein Wolf auf Jagd zu gehen. Vielmehr wollte er andere Wölfe für sich jagen lassen! So ist es eben. Wölfe machten die Arbeit, die Füchse zuvor in Auftrag gaben. So gaben Füchse Befehle, wie etwa: „Wolf! Hol mir das Karnickel aus dem Stall, dort! Besorg mir die Kirschen von dem Baum, da!“ Kurz gesagt, man gehörte mit so einem Abschluss einfach zur Elite des Waldlebens!

Doch das Leben sollte den „Fuchs“ lehren, dass man nie auslernt! So gingen andere Füchse auf Fortbildungen, um in ihren Berufen voran zu kommen. Selbst Wölfe nahmen Kurse in Gehorsam gegenüber Füchsen, besserer Jagdstrategien und Gesangsstunden für das Mondgeheule. „Fuchs“ meldete sich zu dem gemischten Seminar „Master & Servants – Von der richtigen Rangordnung zwischen Fuchs und Wolf!“

Alle Füchse und Wölfe des Seminars waren gespannt auf die Inhalte die ihnen hier vermittelt werden sollten. „Fuchs“ hingegen erinnerte sich an die alten Märchen, die sie damals im ersten Schuljahr durchnahmen. Nach all den Jahren kam er zum ersten mal auf den Gedanken, die Hintergründe dieser Geschichten zu hinterfragen, „Warum sagte der Fuchs, die Kirschen seien sowieso sauer, nur weil er sie nicht erreichen konnte? Hätte er sich von Gott keinen kleineren Baum wünschen können? Hätte Gott gewollt, das Füchse Kirschen essen würden, warum gab er ihnen dann nicht Flügel und Schnabel?“ Bei den ersten Fragen dieser Art lächelten Füchse, wie Wölfe noch amüsiert und der Lehrer gab bereitwillig Auskunft, obgleich er sich ob der Frage von einem Fuchs gestellt, schon wunderte.

Die anderen Wölfe des Kurses waren sich gegenüber unserem „Fuchs“ aber ihrer Unwissenheit bewusst und versuchten sich unauffällig zu benehmen und keine dummen Fragen zu stellen. Sie rutschten einfach etwas tiefer hinter ihre Bänke und schwiegen!

Dieser Wolf aber stellte, um seine Position zu festigen, noch unqualifiziertere Fragen, so er einmal mehr unwissentlich unterstrich: „Ich bin ein Wolf!“. Die Lehrfüchse schauten einander an und berieten sich in einer stillen Stunde. Wie könne man den Wolf dazu bringen, zu den seinen zu gehen, ohne dass er weiterhin die Schläue der Füchse in Frage stellte? Auch für die Wölfe sei so ein sich selbst mit seiner Dummheit hervorhebender Wolf in Fuchsfarben ein Prestigeverlust, zumal er ja den Wolfsberuf gar nicht ausführen könne, da er ja von Jagd keinerlei Ahnung hatte.

Die Seminarleiter schmiedeten einen Plan, den der „Fuchs“ unmöglich durchschauen konnte. Sie planten ihm eine besondere Auszeichnung zukommen zu lassen. Da er auf Grund seiner vielen Fragen, seiner Wissbegierigkeit besonders für besondere Fuchseinsätze befähigt sei, sollte er einige Wolfseinsätze direkt vor Ort beobachten, quasi als „Undercover-Fuchs“. Allerdings sei eine Spezialausbildung dazu notwendig, da er lernen müsse, wie ein Wolf zu denken und zu handeln. Dies sei sicher nicht leicht, aber deshalb habe man ja auch ihn als Elitefuchs dazu ausgesucht. Er sei eben groß genug, um einen Wolf zu mimen und bei seiner Schlauheit sollte es ihm leicht fallen, sich dumm zu stellen.

Nach einem mehrjährigen Training schließlich, nahmen die Lehrfüchse graue und braune Farbe und färbten den rot-weiß gefärbten „Fuchs“ wölfern. In einer geheimen Zeremonie schworen sie „Fuchs“ auf seine Mission ein und scheusten ihn in einen Wolfsrudel, fernab der füchsischen Hauptstädte.

„Fuchs“ nahm seine Mission wirklich sehr Ernst, bis zum heutigen Tage! So wartet er bis heute auf seinen Kontaktfuchs, dem er die hochbrisanten Geheimnisse des Wolfslebens anvertrauen kann. Drum seid auf der Hut ihr Wölfe, denn er könnte auch mit jedem von Euch an einem Tisch sitzen und eine Frage nach der anderen stellen. Verratet ihm bloß nichts, sagt ihm aber vor allem nicht, wie dumm die Fragestellung ist –

…selbst für einen Wolf!

23.10.02

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